Vorbemerkung:
Sleight-of-Mouth-Patterns werden vor allem bei Glaubenssätzen genützt, die folgende Meta-Modell-Verletzungen enthalten: a) Ursache-Wirkung, b) Komplexe Aequivalenz.
Die Ausgangssätze (das erste Beispiel ist von Robert Dilts):
1. Krebs N verursacht Tod (Y). (Ursache-Wirkung)
2. Wenn sie mich besucht M, bedeutet das, daß sie sich um mich kümmert (Y). (Komplexe Äquivalenz)
Es wird eine neue Aussage formuliert.In dieser bekommt ein Teil des Satzes, entweder X oder Y, eine neue Bedeutung. Damit werden entweder mit X mehrere Möglichkeiten oder mit Y alternative Bedeutungen assoziiert. Diese Methode ist im NLP auch als Reframing bekannt.
a) Die Ursache oder das Verhalten (die Evidenz) wird neu definiert:
Allgemeine Formel für X: Es ist nicht X, es ist ...
a1) Es ist nicht Krebs, der den Tod verursacht, es ist das Zusammenbrechen des Immunsystems. (Es gibt viele Ursachen für eine Wirkung.)
a2) Es ist nicht, daß sie dich besucht, es ist die Art, wie sie sich verhält, wenn sie dich besucht, die zeigt, ob sie sich um dich kümmert. (Es gibt viele Möglichkeiten, eine Handlung zu interpretieren.)
b) Die Wirkung oder das Kriterium (die Theorie) wird neu definiert.
Allgemeine Formel für Y- Es ist nicht Y, es ist ...
b1) Krebs verursacht nicht den Tod, er löst möglicherweise mangelnden Lebenswillen aus - und das können auch Glaubenssätze wie dieser.
b2) Es ist nicht unbedingt ein echtes "Kümmern", wenn sie dich besucht, es kann auch Pflichtgefühl sein.
Häufig macht sich ein Sprecher die Konseqünzen seines Glaubenssatzes (wie wird er aufgrund seines Glaubenssatzes sich fühlen oder handeln, wie wird er andere behandeln) nicht bewußt.
Die Aufmerksamkeit des Sprechers wird also auf eine mögliche positive oder negative Konsequenz seines Glaubenssatzes gelenkt.
Dieses Sleight-of-Mouth-Pattern verändert nur den Inhalt, nicht die Struktur des Glaubenssatzes.
a1) Glaubenssätze wie dieser tendieren dazu, zu Sich-selbst-erfüllenden Prophezeiungen zu werden, denn die Leute hören auf, andere Optionen in Betracht zu ziehen.
a2) Ein solcher Glaubenssatz kann dazu führen, daß du von jedem, der dich mal besucht, auch annimmst, daß er sich um dich kümmert, und das kann zu bösen Überraschungen führen.
Dieses Muster lenkt die Aufmerksamkeit des ersten Sprechers auf den Zweck, die positive Intention seines Glaubenssatzes, letztlich: die Motivation hinter seinem Glaubenssatz. Dem Sprecher wird deutlich gemacht, welche Erfahrungen ihm ein solcher Glaubenssatz ermöglicht und welche nicht.
a1) ich weiß, daß Sie sich vor falschen Hoffnungen schützen wollen, aber so hindern Sie sich daran, irgendeine Hoffnung zu empfinden.
a2) So erlaubst du dir nicht, herauszufinden, wer sich tatsächlich um dich sorgt
Eines der Elemente des Glaubenssatzes (X oder Y) wird auf detailliertere (spezifischere) Aussagen oder auf einen geringeren Abstraktionsgrad reduziert. Man findet aus der Menge der Referenzgegenstände, auf die sich die ursprüngliche Aussage bezieht, ein Detail, das spezifisch genug ist, um die Beziehung zwischen den beiden Elementen des Glaubenssatzes zu verändern.
a) Ein Beispiel für die Anwendung auf Y:
a1) Welchen Grad von Tod verursacht jede einzelne Krebszelle?
a2) Welcher der Momente, in denen sie dich besucht hatte, bedeutete das meiste Kümmern?
Ein Element des Glaubenssatzes wird zu einer.- größeren Klasse generalisiert, so daß die Beziehung n zwischen den einzelnen Elementen des Glaubenssatzes verändert wird.
a) Die Beispiele sind Beispiele für die Anwendung auf X:
a1) Verursacht eine Aenderung in einem kleinerem Teil des Systems automatisch eine Zerstörung des ganzen?
a2) Wenn jemand nun jeden Tag käme und den ganzen Tag bliebe, würdest du dann annehmen, daß er sich um dich kümmert?
Es wird ein Gegenbeispiel gesucht, in welchem die Beziehung zwischen den einzelnen Elementen des Glaubenssatzes nicht dieselbe ist wie die, die in dem ursprünglichen Glaubenßatz formuliert wurde. Allgemeine Formel:
a) X und nicht Y
Beispiele:
a1) Es gibt viele Berichte von Leuten, die von Krebs geheilt wurden (X = Krebs haben; nicht Y = nicht sterben)
a2) Ich kenne eine Menge Menschen, die gar keine Zeit haben, mich regelmäßig zu besuchen, aber wenn es mir schlecht geht, kümmern sie sich um mich. (Nicht X = manche Menschen haben keine Zeit Besuche zu machen; Y = kümmern sich)
Zweite mögliche Formel:
b) Nicht X und Y Beispiele: b1) Krebskranke sterben häufig eher an ihrer Behandlung oder an ihrer Diagnose, als an Krebs. (Nicht X = [nicht] an Krebs; Y = sterben)
b2) jeder Mensch hat schon einmal Besuche gemacht und sich nicht wirklich um denjenigen gekümmert, der besucht wurde. (X Besuche machen; Y = sich nicht kümmem.)
Die vom Sprecher angenommene unbedingte Richtigkeit oder Wahrheit des Glaubenssatzes wird in Frage gestellt. Die Aufmerksamkeit des ersten Sprechers wird auf eine neue lohnende Möglichkeit gelenkt, eine, deren er sich noch nicht bewußt gewesen ist.
a) Beispiel für die Anwendung auf Y:
a1) Es geht nicht darum, was den Tod verursacht, sondern darum, was das Leben lebenswert macht.
a2) Es geht nicht um die Quantität der Zeit, die man miteinander verbringt, es geht um die Qualität.
Metaphern oder Analogien erzählen eine Geschichte, in der die Beziehung zwischen den Elementen zu Beginn der Metapher die gleiche Struktur hat wie die ursprüngliche Aussage, und dann wird diese Beziehung durch die Metapher verändert, so daß die Beziehung am Ende neu gesehen werden kann.
a1) Krebs ist wie ein Feld mit Gras und weiße Zellen sind wie Schafe. Wenn Streß die Menge der Schafe reduziert, nimmt das Gras überhand und überwuchert alles. Füge mehr Schafe hinzu und es wird die ökologische Harmonie wiederhergestellt.
a2) Es gab einmal eine böse Fee, die besuchte die Leute. Sie gab ihnen das Gefühl, daß sie sich um sie kümmerte. Wenn die Leute ihr glaubten, begann sie, ihnen unnütze Dinge zu verkaufen. Glaubst du, das war echte Sorge um das Wohlergehen desjenigen, die sie besuchte?
Es wird eine neue Aussage formuliert, bei der die im ursprünglichen Glaubenssatz genannten Kriterien auf den Glaubenssatz selbst angewandt werden. Wenn das alte Kriterium abwertend war, wird es nun selbst abgewertet, wenn es positiv war, wird es positiv verstärkt.
a) Die Beispiele sind Beispiele für die Anwendung auf X:
a1) Dieser Glaubenßatz hat sich wie Krebs über die Jahre hin ausgebreitet.
a2) Du könntest dich mehr darum kümmern, wer dich besucht und wer nicht.
b) Die Beispiele sind Beispiele für die Anwendung auf Y:
b1) Es ist tödlich, an diesem Glaubenssatz zu stark festzuhalten.
b2) Es kann sinnvoll sein, die Leute zu besuchen, die dich besuchen.
Es wird eine neue Aussage formuliert, in der ein "höheres", also umfaßenderes Kriterium verwendet wird, um den ursprünglichen Glaubenssatz in einem anderen, nicht mehr so bedeutsamen Licht erscheinen zu lassen.
a) Die Beispiele sind Beispiele für die Anwendung auf Y:
a1) Findest du nicht, daß es wichtiger ist, auf den Sinn oder Inhalt eines Lebens zu fokussieren, als darauf, wie lange es dauert?
b2) Denkst du nicht, daß es wichtiger ist, Vertrauen zu erleben, anstatt bloß Besuche?
Der erste Glaubenssatz wird in einer neuen Aussage in einen größeren oder kleineren Zeitrahmen gestellt, auf mehr oder weniger Leute bezogen oder es wird eine kleinere oder größere Perspektive hergestellt.
a) Die Beispiele sind Beispiele für die Anwendung auf X:
a1) Würden Sie es mögen, wenn Ihr Sohn/Ihre Tochter/Ihr Arzt diesen Glaubenssatz hätte? Wenn jeder so denken würde, würden wir niemals ein Heilmittel gegen Krebs finden. (Andere Perspektive)
a2) Es mag kurzfristig schön sein, Besuche zu bekommen, aber langfristig ist mehr nötig, um das Gefühl zu bekommen, daß sich jemand um einen kümmert. (Zeit).
Der ursprüngliche Glaubenssatz wird in einer neenn Aussage in einen Zusammenhang mit dem momentanen, persönlichen Prozeß oder Erleben des ersten Sprechers gebracht. Wer fähig ist, in die "zweite" Wahrnehmungsposition zu gehen und eigene Gefühle von denen des anderen zu trennen, kann dieses Sleight-of-Mouth-Pattem benutzen. Letztlich wird ein Glaubenssatz über den ursprünglichen Glaubenssatz aufgebaut.
a1) Du glaubst das, weil dir ein Modell fehlt, das dir erlaubt, alle die komplexen Variablen zueinander in Beziehung zu setzen, die bei Leben und Sterben eine Rolle spielen.
a2) Du wünscht dir, daß sich jemand um dich kümmert, deshalb glaubst du, daß es mit Besuchen getan ist.
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Quellenangabe: Inke Jochims, NLP für Profis. Glaubenssätze und Sprachmodelle, Paderborn 1995. Copyright Junfermann 1995. Mit freundlicher Genehmigung des Junfermann-Verlages. |
© Walter Ötsch