Ein Beispiel für eine isomorphe Metapher-Geschichte
Im Folgenden möchte ich Ihnen eine Metapher vorstellen, die für eine siebzigjährige Frau geschrieben wurde, die hohen Blutdruck hatte. Ich vermutete, daß ein bestimmtes Verhalten zu dieser körperlichen Reaktion zumindest beitrug. Diese Frau war ihr ganzes Leben lang sehr tüchtig und sehr willensstark. Als sie im hohen Alter merkte, daß ihre Kräfte langsam nachließen, gab sie ihre Ansprüche, wie ihr Haushalt zu organisieren sei, nicht auf, sondern bestimmte ihren Mann für Tätigkeiten, die sie selber nicht mehr ausführen konnte. Da der jedoch seinen Lebensabend genießen wollte, entwickelte er Widerstände gegen die ihm von seiner Frau übertragenen Aufgaben. Er investierte sehr viel Zeit in morgendliche Körperpflege, las ausgiebig die Zeitung, bevor er sich zu irgendwelchen Aufgaben aufraffen wollte. Und diese Aufgaben führte er sehr nachlässig aus. Das ärgerte seine Frau über alle Maßen. Ihr Gesprächsstoff mit mir bestand zuletzt nur noch in zornigen Anklagen gegen die Faulheit ihres Mannes.
Ich wollte darauf hinwirken, daß diese Frau das Verhalten ihres Mannes anders wahrnehmen konnte. Statt sich über seine "Faulheit" zu ärgern, sollte sie die positive Seite seiner "Putzsucht" erkennen. Außerdem wollte ich erreichen, daß sie sich freuen konnte, ihn immer noch bei sich zu haben. Notwendige Hilfeleistungen ihres Mannes sollte sie mit List durchsetzen.
Als Ressource wählte ich ihre Intelligenz und ihre Neugier. Sie hatte oft berichtet, was sie mit ihrer Intelligenz hätte im Leben erreichen können, wenn es in ihrer Jugend für sie Ausbildungschancen gegeben hätte.
Da sie Tiergeschichten liebte, wählte ich für die Metapher diese Inhaltsebene. Das Eheverhältnis drehte ich um. Für sie wählte ich einen Papagei, der die Satirkategorie "Ankläger" spiegelt. Für ihren Mann wählte ich eine Katze.
"Die Katze und der Papagei"
Du weißt sicher, daß es Menschen gibt, die an Seelenwanderung glauben. Sie sind davon überzeugt, daß sie in ihrem früheren Leben irgendein Tier gewesen sind oder eine Pflanze. Nun kann man davon halten, was man will. Ich jedenfalls habe gehört, daß es einen fernen Stern geben soll, auf dem leben noch keine Menschen, sondern nur Tiere. Daran ist ja nichts Ungewöhnliches. Auch unsere Wissenschaftler sind davon überzeugt, daß es auf anderen Sternen lebende Wesen gibt. Und sie suchen danach. Das Seltsame an der Geschichte, die ich gehört habe, ist jedoch, daß die Tiere sich dort auf dem fremden Stern so verhalten, als wären sie Menschen, d.h. sie können sprechen und arbeiten und viele andere Dinge, die auf unserem Planeten nur die Menschen können. Das Kurioseste aber ist, daß die Tiere auf jenem Stern in der Regel Mischehen eingehen. Zum Beispiel ist es dort nicht ungewöhnlich, wenn ein Elefant eine Tigerin heiratet und eine Kuh einen Eisbären. Was die sich dabei denken, weiß ich nicht.
Die Geschichte, die ich gehört habe, handelt von einem Papagei, der sich mit einer Katze vermählt hatte. Sie liebten sich sehr, aber trotzdem gab es Probleme. Und auch das ist ja eigentlich nicht ungewöhnlich, wenn man bedenkt, wie verschieden dieses Ehepaar war. Man stelle sich vor, ein prächtiger bunter Papagei und eine graue Katze. Aber der äußere Unterschied zwischen den beiden war gar nicht das Problem. Vielmehr gab es deshalb Schwierigkeiten, weil beide in ihrem Wesen so verschieden waren. Die Katze war ganz zufrieden mit der Wahl, die sie getroffen hatte. Nur der Papagei war es nicht so ganz. Nicht, daß er sich nach einer anderen Partnerin sehnte, nein, das war es nicht. Er wollte nur, daß die Katze nicht so eigenwillig sein sollte, wie sie als Katze nun mal war. Es gab halt einige Dinge im Verhalten der Katze, die der Papagei nicht ausstehen konnte, z.B. daß sie jeden Morgen so ausgiebig ihr Fell pflegte. Während er bereits früh aufgestanden war, das Frühstück bereitet hatte und schon viele andere Dinge erledigt hatte, war sie immer noch beim Pfötchenlecken, mit Ohrenputzen und Schwanzglätten beschäftigt, und ließ sich so viel Zeit, wie sie mochte. Der Papagei regte sich dann fürchterlich auf und zeterte, daß sie sich doch gefälligst beeilen sollte, da sie noch etwas zu erledigen hatte. Aber die Katze ließ sich Zeit. Sie war ganz einfach faul, drehte sich gerne herum und schnurrte vor sich hin, las die Zeitung und hörte und sah nichts, was um sie herum geschah. Das führte dazu, daß der Papagei sich um alles selber kümmern mußte; denn bis er der Katze klargemacht hatte, was zu tun war, und sie aufgescheucht hatte, um die Sache zu erledigen, verging viel zu viel Zeit. Deshalb tat er die notwendigen Dinge lieber selber. Dann brauchte er sich auch nicht zu ärgern und aufzupassen, ob sie es auch richtig machte.
Das Dumme war aber, daß der Papagei in letzter Zeit einen lahmen Flügel bekommen hatte. Er konnte den Haushalt und den Garten, und auch die Werkstatt nicht mehr allein versorgen. Es war jetzt einfach notwendig geworden, die Katze zu Arbeiten heranzuziehen. Die sah das auch ein und erklärte sich zur Hilfe bereit. Aber sie konnte ihr Wesen nicht ändern. Sie sah immer noch nicht, wo Arbeit notwendig war, und hörte immer noch nicht richtig zu, wenn der Papagei ihr irgend etwas erklärte. Das brachte den Papagei zur Raserei. Selbst wenn er ihr einen Auftrag gab, und sie ihn besorgen ging, geschah es oft, daß sie zurückkam, und die Hälfte war verkehrt. Der Papagei raufte sich dann seine Kopffedern und schrie und krächzte, was sie mit diesem Katzenvieh wohl anfangen sollte. Dabei hatte es schon ungeheure Mühe gekostet, sie überhaupt vom Frühstückstisch aufzuscheuchen und loszuschicken, daß er schon fast zusammenbrach, so viel Kraft kostete es. Und dann kam diese Katze mit so etwas zurück! Der Papagei war ganz verzweifelt. Die Katze kümmerte sich weiterhin um nichts, lag faul herum, putzte sich, fraß ungeheure Mengen und schlief dann wie ein Bär. Und er konnte tun und machen, sie dachte gar nicht daran, sich zu ändern. Das machte ihn ganz krank. Sein Flügel tat ihm weh und er jammerte und versuchte immer wieder, sie zur Veränderung ihres Verhaltens zu bringen. Aber an der Situation änderte sich nichts. Sein Ärger nahm und nahm kein Ende.
Da kam eines Tages der Fuchs zu Besuch. Da der Papagei wußte, daß der Fuchs ein kluges Tier war, klagte er ihm sein Leid und fragte um Rat.
"Da kann ich helfen", sagte der Fuchs."Sage mir, was du willst. Ich könnte z.B. die Katze fressen, dann bist du sie los." - "Nein, nein", sagte der Papagei, "dann wäre ich ja allein. Ich will sie schon behalten." - "Dann könnte ich sie vielleicht beißen zur Strafe für ihr ekelhaftes Verhalten." - "Nein, das ist auch nicht gut", sagte der Papagei. "Dann ist sie krank und ich muß sie pflegen." - "Und was hältst du davon, wenn ich einen jungen Kater auf sie hetze, der sie auf Trab bringt?" "Das finde ich auch nicht gut. Sie könnte auf falsche Gedanken kommen und dann bin ich sie auch los. Nein, du sollst etwas tun, damit sie sich ändert, daß sie sich nicht mehr solange putzt, und nicht so faul ist und sich mehr kümmert und hilft, damit ich mich nicht mehr ärgern muß."
"Das steht nicht in meiner Macht", sagte der Fuchs. "Gott hat die Tiere jedes mit einem bestimmten Wesen und mit einem bestimmten Charakter ausgestattet, und das kann man nicht ändern. Aber für dich wüßte ich ein Mittel."© Walter Ötsch