Gedächtnis Die Fähigkeit, Sinneswahrnehmungen, Erfahrungen und Bewusstseins-Inhalte zu registrieren, über längere oder kürzere Zeit zu speichern und bei Bedarf wieder zu reproduzieren. In der Regel wird nach Kurzzeit- und Langzeit-Gedächtnis unterschieden. Das Kurzzeit-Gedächtnis umfasst nur wenige Informationseinheiten (meistens wird gesagt: 7 plus/minus 2). Der größte Teil des Gedächtnisses macht das Langzeit-Gedächtnis aus. In ihm sind Ereignisse und Vorstellungen über Tage, Monate und Jahre gespeichert. Das Langzeit-Gedächtnis hat mit der Konstruktion von Zeit (Zeit-Linie) und vermutlich auch mit der Konstruktion von Identität zu tun: wenn wir am Morgen aufwachen, erinnern wir uns, wer wir sind. (Es gibt allerdings auch Ansätze, nach denen "Identität" permanent neu konstruiert wird). Ein Teil des Langzeit-Gedächtnisses ist unbewusster Natur, d.h. oft nicht bewusst zugänglich (Der Neurologe Wilder Penrose hat in den dreißiger Jahren nachgewiesen, dass eine Reizung der Hirnrinde durch schwache elektrische Ströme Erinnerungen an weit zurückliegende Ereignisse aktivieren kann, die vorher als "vergessen" gedacht wurden).
Die flexible Natur des Langzeit-Gedächtnisses kann im NLP an Verfahren studiert werden, die mit der eigenen Vergangenheit zu tun haben, z.B. am positiven History Change oder bei der Neuprägung. Dabei wird ein innerer Zustand in der Gegenwart aktiviert, - beim positiven History Change eine Ressource (z.B. das Gefühl, kompetent zu sein), bei der Neuprägung ein stuck state (z.B. das Erleben eines negativen Selbst-Bildes in der Gegenwart von (vermeintlichen) Autoritäts-Personen). In diesem Zustand stellt sich jemand vor, jünger und jünger zu werden (meist unter Verwendung einer Zeit-Linie am Boden, d.h. es wird eine Strecke abgeschritten), wobei der Fokus des Bewusstseins auf alle jene Ereignisse in der Vergangenheit gerichtet ist, die zu dem Ausgangs-Zustand passen. In vielen Fällen ist es möglich, dabei Erinnerungen aus der sehr frühen Kindheit ins Gedächtnis zu rufen, die vorher "unbekannt" waren (d.h. das Paradies der Kindheit oder Verletzungen der Kindheit wiederaufleben zu lassen).
NLP hat keine eigene Gedächtnis-Theorie entwickelt, sondern greift pragmatisch auf verschiedene Ansätze zurück. Wie immer im NLP spielen dabei die Repräsentations-Systeme eine bestimmende Rolle. Für Lernen und Gedächtnis ist die Unterscheidung nach Leit-System (das System, das den Zugang zum Informationsabruf sucht), bevorzugtem Repräsentations-System (das System, das meist bewusst ist und das sich auch in der Sprache spiegelt) und Referenz-System (das System, das entscheidet, ob die abgerufene Information als wahr oder als falsch gedeutet wird) bedeutsam. NLP bietet ein breites Spektrum von Verfahren, die beim Lernen und Lehren zur Steigerung der Gedächtnis-Leistung eingesetzt werden können. Beispiele sind das Erkunden fördernder und hindernder Lern-Stile, Lern-Strategien und Beliefs (für Lehren und Lernen bzw. für einzelne Lernthemen) und ihre Veränderung.
© Walter Ötsch