Führen Führen (auch leaden oder leading genannt) wird im NLP in einer (1) allgemeinen und einer (2) spezifischen Bedeutung verwendet.
(1) In einer allgemeinen Bedeutung wird führen in der Bedeutung von lead verwendet, - ein Begriff, der im angloamerikanischen Sprachraum einen positiven Beiklang hat. In Kommunikation zu führen bedeutet auch, zu wissen, was man will, d.h. über ein Ziel zu verfügen. Das Ziel gibt die Richtung vor, wohin das Führen führen soll. NLP als Anleitung für Beratung, Coaching und Therapie ist führungsorientiert. Der Berater, der Coach, der Therapeut lässt die Dinge nicht treiben, sondern agiert gezielt, indem er oder sie gezielt Fragen stellt, gezielt Hypothesen entwirft oder gezielt Interventionen anbietet und durchführt.
NLP hat sich in seiner Anfangszeit vor allem als Kurzzeit-Therapie verstanden und kurze, wirkungsvolle Interventionen entwickelt. Alle Techniken des NLP sind Prozess-Anweisungen, die nur Wirkung haben, wenn die Person, die diese Techniken durchführt, sich selbst oder andere gezielt führen kann.
NLP betont die Verantwortung des Therapeuten (der Therapeutin), gezielt Prozesse zu erkennen und zu verändern. Diese Verantwortung ist nicht auf den Therapie-Kontext beschränkt. Sie trifft letztlich jeden Menschen. Nach Watzlawick ist es nicht möglich, nicht zu kommunizieren. Dies bedeutet auch, dass es nicht möglich ist, andere nicht zu beeinflussen. Es ist nicht möglich, andere nicht zu führen. Alles, was wir tun, jeder Satz, jede Handlung kann andere Menschen beeinflussen und kann auf andere große Wirkungen haben. Anhand des Milton-Modells kann der Einfluss von Sprache im Alltag studiert werden: wie wir uns andauernd durch scheinbar harmlose Sprach-Wendungen in innere Zustände führen.
Zwei Beispiele: Kinder zu erziehen oder Unterricht zu geben, ist ein riskanter Job, weil ein einziger Satz das Leben eines Menschen verändern kann.
NLP ist ziel-orientiert. Sich an Zielen zu orientieren, bedeutet, sich am Führen zu orientieren, Verantwortung zu übernehmen und Risiken einzugehen. In guten NLP-Ausbildungen werden die Pole von Führen und Führen lassen bewusst geübt. Kongruente Personen verfügen über die Fähigkeit, andere zu führen, Verantwortung zu übernehmen und sich von anderen führen zu lassen, ihnen Vertrauen zu geben. Die Kommunikations-Techniken des NLP bieten die Anleitung, andere wirkungsvoll zu führen. Die Selbststeuerungs-Techniken des NLP bieten die Anleitung, sich selbst wirkungsvoll zu führen.
(2) In einer spezifischeren Bedeutung beschreibt Führen im NLP einen Prozess, bei dem eine Person ihr Verhalten ändert (z.B. langsamer redet), worauf eine andere Person mit ihrem Verhalten folgt (d.h. ebenfalls im Reden langsamer wird). Führen dieser Art kann nur gelingen, wenn eine bestimmte Intensität an Kontakt mit dieser Person vorhanden ist. (Im NLP wird das Rapport genannt). NLP basiert auf dem Prinzip des Pacing und Leading, des Angleichens und Führen, des Spiegelns und Führen.
Dieses Prinzip beschreibt zwei Phasen guter Kommunikation. In der ersten Phase geht es darum, die Welt des anderen zu betreten, sich ihr anzugleichen, sie zu spiegeln. Wenn ich z.B. im Atem-Rhythmus einer Person spreche, dann spiegle ich mit meiner Sprache einen inneren Rhythmus, einen inneren Zustand dieser Person (eine wirkungsvolle Methode für Rapport). Wenn ich nach einer gewissen Zeit meinen Sprech-Rhythmus verändere (z.B. langsamer rede) und die andere Person beginnt "wie von selbst" langsamer zu atmen, dann führe ich diese Person (auf eine unmerkliche und wirksame Weise) in einen anderen inneren Zustand (sie kann dabei ruhiger werden). Führen dieser Art gilt im NLP als Zeichen für das Vorhandensein von Rapport. NLP-erfahrene Personen wenden diesen Check in Kommunikation routinemäßig an. Wenn sie erkennen, dass es möglich ist, mit dem Körper zu führen, dann ist vielleicht der Zeitpunkt gekommen, auch im Gespräch die Führung zu übernehmen, und z.B. ein Anliegen vorzubringen.
© Walter Ötsch