(1) Bei der äußeren Zeit-Linie wird die innere Zeit-Linie (siehe unten) in den eine Person umgebenden, äußeren Raum projiziert. D.h. bestimmte Orte im Raum werden zeitlich interpretiert (in der NLP-Sprache: als räumliche Anker installiert). Die Zeit-Linie erscheint hier als "materialisierte, verräumlichte Zeitlinie". Meist geschieht dies in Form der Boden-Zeit-Linie: eine Linie, die am Boden ausgebreitet wird. Ein Punkt auf dieser Linie repräsentiert die Gegenwart, eine Richtung die Vergangenheit, die andere die Zukunft. Das Abschreiten dieser Linie bzw. das Denken an bestimmte Orte auf dieser Linie entspricht einem assoziierten bzw. dissoziierten Erleben vergangenener bzw. zukünftiger Ereignisse.
Das Konzept der Boden-Zeit-Linie ist im heutigen NLP weit verbreitet. Boden-Zeit-Linien sind ein effizientes Instrument, um zeitliche Erfahrungen systematisch zu nützen, sie assoziiert oder dissoziiert (oft in schnellem Wechsel) zu erleben und Ressourcen gezielt zeitlich zu verschieben. (Ein neueres Coachingtool ist die Gegenüberstellung einer Ist-Zeitlinie - sie steht für die faktische vergangenheit - mit einer Soll-Zeitlinie, die eine "bessere" Vergangenheit symbolisieren soll, Ist- und Soll-Zeit-Linie.)
Bekannte Beispiele für NLP-Interventionen unter Verwendung der äußeren Zeit-Linie sind:
History change,
Positiver History change,
Phobie-Techniken,
Traumata-Techniken und
Neuprägung sowie die
Zeit-Linie der Eltern ( Übungsanleitung dazu).
(2) Die innere Zeit-Linie (auch kognitive Zeit-Linie genannt) ist die Form jener Repräsentation, in der sich die meisten Menschen die Zeit innerlich vorstellen. Die häufigste Repräsentation von Zeit ist eine visuelle räumliche Positionierung zeitlicher Ereignisse, meist in kontinuierlicher Form, in Form einer Linie. Die Linie verkörpert den "Fluß der Zeit" in einer Systematik von Gegenwart und Zukunft.
© Lucas Derks 1997
Ereignisse zeitlich zu ordnen, ihnen einen Zeit-Bezug zu geben, bedeutet nach diesem Konzept, ihnen einen Ort (eine Strecke) auf dieser Linie im inneren Raum, immer in Relation zum eigenen Körper, zu geben. Ereignisse werden nach diesem Konzept deshalb als vergangene oder zukünftige Ereignisse interpretiert, weil sie innerlich einem bestimmten Ort (einer bestimmten Strecke) auf der Zeit-Linie zugeordnet werden. Ein- und dieselbe Imagination ( z.B. die Vorstellung, beim Frühstück zu sitzen) wird zeitlich je nach dem Ort gedeutet, auf dem sie auf der inneren Zeit-Linie erscheint.
Die Repräsentation von Zeit ist demnach vor allem eine visuelle Repräsentation, eine Art von "innerem Sehen", die wichtigste Untereigenschaft ist die räumliche Positionierung innerer visueller "Bilder".
Die Zeit-Linie einer Person ist meist unbewußter Natur. Sie kann durch gezieltes Befragen erkundet und bewußt gemacht werden.
Eine Anleitung, um Ihre innere Zeit-Linie zu erkunden.
Zeit-Linien sind in den meisten Fällen kontinuierliche Linien, manchmal verknüpft mit diskontinuierlichen Elementen (Andreas und Andreas 1993 (1987), 35 beschreiben das Beispiel einer Person, die sich Zeit als Schnur mit Seifenblasen oder Plastikperlen vorstellt. Jede Blase symbolisiert einen Zeitraum von ungefähr sechs Monaten). Neben der räumlichen Zuordnung können für die Zeit-Linie einer Person alle anderen Untereigenschaften bedeutsam sein (z.B. die Farben bestimmter Zeitabschnitte, Klänge und Töne, bestimmte Gefühle, die damit verbunden sind, ...). Knicke in der Zeit-Linie stehen oft für einschneidende Erlebnisse. Wechselnde Untereigenschaften auf der Zeit-Linie (z.B. ein Streckenabschnitt ist hell, der andere dunkel) geben Informationen über ihre subjektive Bedeutungsgebung (vgl. damit die Beispiele in Andreas und Andreas 1993 (1987), 21 ff., sowie Andreas und Andreas 1994 (1989), 336 ff.).
© Walter Ötsch