Zeit Zeit ist eines der Fundamente von Realität. Die zeitliche Einordnung von Ereignissen ist eine der wichtigsten inneren Operationen, mit denen wir Realität konstruieren. Zeit scheint für die meisten Menschen etwas absolut Reales zu sein. Eine erstaunliche Tatsache ist, dass es keinen besonderen Zeit-Sinn gibt, so wie wir über einen besonderen Sinn für das Sehen, Hören, Schmecken, Riechen und Tasten verfügen. Die moderne Zeitforschung betont, dass es keine Hinweise darauf gibt, dass uns ein eigener Sinn für zeitliche Wahrnehmung angeboren sei. Kulturen und Individuen unterscheiden sich auch nach ihren Vorstellungen über die Zeit und die Art, wie sie Ereignisse zeitlich einordnen.
Die dominante Zeit-Vorstellung unserer Kultur ist die "objektive Zeit" der klassischen Physik (Newtons "wahre, mathematische und absolute Zeit"). Sie gilt als "objektives" (subjektiv nicht veränderbares) Merkmal der Welt. Zeit existiert in diesem Konzept unabhängig von Ereignissen und unabhängig von subjektiven Repräsentationen von Ereignissen. Zeit ist objektiv messbar. Es gibt den Maßstab der Zeit und diesem Maßstab können alle "äußeren" Ereignisse zugeordnet werden. Zeit ist lineare Zeit. Zeit kann in gleichartige (homogene) Zeiteinheiten zerlegt werden. Zeit fließt immer von der Vergangenheit über die Gegenwart in die Zukunft. Die Vergangenheit ist unwiderruflich vorbei. Sie ist "objektiv" fixiert und kann nicht verändert werden. Die Dimension der Zeit ist wie eine Dimension im physikalischen Raum (man spricht auch vom "Zeit-Raum"). Zeit ist damit eine universelle, unpersönliche Kategorie. Sie hat nichts mit Menschen zu tun. Zeit existiert unabhängig von Ereignissen und unabhängig von Menschen. Die objektive Zeit ist ein wesentliches Charakteristikum des mechanistischen Welt-Bildes. Weil es (immer noch) das offizielle Welt-Bild unserer Kultur ist, glauben die meisten Menschen an dieses Zeit-Konzept. Die Vorstellung der Existenz der linearen Zeit ist einer der großen kulturellen Beliefs unserer Zeit.
NLP beschäftigt sich mit der Repräsentation von Zeit und der Art, wie sich Menschen Zeit vorstellen, wie sie innerlich Zeit konstruieren. Wie immer im NLP geht es dabei um Repräsentations-Systeme und Untereigenschaften.
Beispiele für das Studium zeitlicher Repräsentationen im NLP sind:
(1) das Studium des zeitlichen Erlebens einer Zeitstrecke, z.B. ob Zeit langsam oder schnell verstreicht. Eine Möglichkeit geht so:
(i) Halten Sie eine Hand vor das Gesicht und geben Sie dem Abstand die Bedeutung von "einer Minute" (dies kann von wenigen Zentimetern bis Armlänge sein).
(ii) Denken Sie innerlich: "Das ist eine Minute!".
(iii) Geben Sie Ihre Hand weiter weg und stellen Sie sich vor, für eine Minute wäre "mehr Raum" vorhanden. Welche Wirkung übt diese Vorstellung auf Sie aus?
(iv) Lassen Sie die Strecke von einer Minute noch größer werden. Wie weit ist es angenehm? (Dies kann unterschiedliche Empfindungen von sehr unangenehm bis hin zu mystischen Erfahrungen von Zeitlosigkeit auslösen).
(2) das Studium von "langsamer" und "schneller" Zeit generell. Man kann z.B. zwei Erinnerungen anhand ihrer Untereigenschaften vergleichen: ein Ereignis A (bei dem die Zeit "stillstand") und ein Ereignis B (bei dem die Zeit "wie im Flug verging") und diese Informationen verwenden, um das aktuelle Zeiterleben (je nach Wunsch) zu verändern (indem man sich die entsprechenden Untereigenschaften vorstellt). Diese Technik kann verwendet werden, um z.B. unangenehme Ereignisse schneller vergehen zu lassen, angenehme Ereignisse mehr zu genießen oder innerlich über viel Zeit "in kurzer Zeit" zu verfügen (z.B. um Simulationen für ein kommendes Ereignis zu machen und so alle möglichen Varianten durchgespielt zu haben). Übungsanleitung zum unterschiedlichen Erleben von Zeit
(3) das Studium von Zeit-Repräsentationen generell. NLP hat dazu das Konzept der (inneren) Zeit-Linie entwickelt. Nach diesem Konzept stellen sich Menschen Zeit in Form einer Linie (in ihrem inneren Raum, in Relation zu ihrem Körper) vor. Orten und Strecken auf dieser Linie wird eine zeitliche Bedeutung gegeben; d.h. Erinnerungen (die sich auf eine bestimmte Zeit beziehen, z.B. Ereignisse vor fünf Jahren) werden innerlich (im inneren Raum) am gleichen Ort imaginiert. Das Konzept der Zeit-Linie ist eines der grundlegenden Konzepte, mit denen NLP die Konstruktion von Realität erklärt. Die individuelle Zeit-Linie ist ein wichtiges Persönlichkeits-Merkmal. Sie sagt viel über die Art aus, wie sich Menschen im Leben orientieren.  Anleitung zum Erkunden Ihrer inneren Zeit-Linie.
Das Konzept der (subjektiven) Zeit-Linie illustriert, wie auf der Ebene der Repräsentationen "objektive Zeit" (die "offizielle" Zeit des Alltags) und "subjektive Zeit" (die "persönliche" Zeit) zusammenhängen. Im subjektiven Erleben der Zeit finden wir keine Bestätigung für des Konzept der "objektiven Zeit". Wir erleben innerlich keine gleichartigen Zeit-Einheiten und wir erleben Zeit nicht unabhängig von Ereignissen und unserem Leben. Die Lösung für diesen scheinbaren Widerspruch ist einfach. Wer sich Zeit subjektiv in Form einer inneren Zeit-Linie repräsentiert, konstruiert eine linear geordnete Zeit. Das Form-Element der Strecke (der Linie) verkörpert dabei die "objektiven" Eigenschaften der Zeit, alle anderen Elemente (repräsentiert in anderen Untereigenschaften) verkörpern "individuelle" Aspekte (z.B. können manche Strecken-Abschnitte in helle, manche in dunkle Farben getaucht sein).
Die Tatsache, dass fast alle Menschen in unserer Kultur Zeit innerlich als Linie konstruieren, ist Ausdruck des mechanistischen Welt-Bildes, das viele Aspekte unseres Alltags reguliert. Im kulturellen NLP kann man die Zeit-Repräsentationen anderer Kulturen studieren. (Im Mittelalter z.B. hatten die Menschen keine Zeit-Linie, sondern einen Zeit-Kreis bzw. eine Zeit-Spirale. Es gab keine objektive Zeit in unserem Sinne, weil die eigentliche Realität (Gott und die Seele) nichts mit Zeit zu tun hatte).
Literatur zur Geschichte der linearen Zeit: Dijsksterhuis 1983 (1950), Wendorff 1985, Whitrow 1991 (1988), Aveni 1991 (1989), Bodmann 1992, Dohrn-van Rossum 1992 und Ötsch 1997.
(4) die "Veränderung der Vergangenheit". NLP geht davon aus, dass Erinnerungen an vergangene Ereignisse in gewissem Ausmaß verändert werden können, z.B. indem man ihnen eine andere Bedeutung gibt. NLP hat viele Methoden entwickelt, um Erinnerungen und Sichtweisen über vergangene Ereignisse zu verändern. Bekannte Beispiele sind:  History Change, Positiver History Change, Phobie-Techniken, Traumata-Techniken und Neuprägung. In vielen Fällen werden diese Techniken unter Verwendung einer Boden-Zeit-Linie durchgeführt, bei der eine Strecke am Boden eine zeitliche Interpretation bekommt (Die innere Zeit-Linie wird auf den Boden gelegt und als räumlicher Anker installiert).
(5) Die Konstruktion der Zukunft. NLP ist auf Ziele orientiert, d.h. zukunfts-orientiert. NLP geht davon aus, dass es eine wichtige Rolle spielt, welche Vorstellungen wir über unsere eigene Zukunft besitzen. Zukunfts-Vorstellungen sind wichtige Wahrnehmungs-Filter. Zukunftsvorstellungen beeinflussen das Handeln in der Gegenwart und das Handeln jetzt hat Auswirkungen auf das, was in Zukunft sein wird. Zukunft ist für NLP etwas, das bewusst konstruiert werden kann, und Zukunft ist für NLP etwas, das bewusst konstruiert werden soll. Das Mittel dazu ist die Ziel-Arbeit. Die Ziel-Arbeit des NLP ist eine Handlungs-Anleitung zur aktiven Konstruktion persönlicher Zukünfte.