Warum-Fragen Mit "Warum" kann man nach zwei verschiedenen Arten von Erklärungen fragen: (1) nach kausalen und (2) nach epistemischen Erklärungen.
(1) Eine kausale Erklärung schließt von einer Ursache q auf eine Wirkung p. Sie setzt die Wirkung als Tatsache, als wahren Sachverhalt, voraus und sucht nach einem ursächlichen Zusammenhang, z.B. veranlasst durch die Frage "Wie konnte es dazu kommen, dass p?" Beispiel: Die Heizungsrohre sind geplatzt, weil es Frost gegeben hat.
(2) Eine epistemische Erklärung richtet sich nicht auf Tatsachen, sondern auf Annahmen oder unsichere Behauptungen, z.B. veranlasst durch die Frage "Woher weißt du, dass p?"
Die kausale Erklärung beschreibt einen Zusammenhang von Sachverhalten, z.B. Naturprozesse, die epistemische Erklärung beschreibt einen Zusammenhang von Grund und Annahme, also letztlich Einstellungen, die jemand hat. Beispiel: "Ich nehme an, dass es Frost gegeben hat, weil die Heizungsrohre geplatzt sind." (Text von Inke Jochims).
Im NLP werden Warum-Fragen unterschiedlich beurteilt. Warum-Fragen werden benötigt, um Kriterien, Werte und Beliefs zu erkunden. Wenn Menschen im Alltag über Probleme reden, stellen sie sich oft die Frage nach den "Ursachen" von Problemen. Fragen dieser Art bewirken, so die Meinung von NLP, in der Regel eine Aktivierung des Problem-Fokus und damit eine Verschlechterung des inneren Zustandes jener Person, die unter dem Problem leidet. Der Aufbau vermeintlicher Ursache-Wirkungs-Ketten (d.h. von Beliefs) kann die Schwere des Problems noch vergrößern, - das Problem kann "einzementiert" und "unlösbar" gedacht werden: "schuld" sind andere Personen, ein System, eine Struktur, die Gesellschaft, ... usw.
Warum-Denken (kausales Denken) ist nach Chong und Chong die "vorherrschende Art des Denkens" (1995 (1991), 61): "Wir leben in einer Welt des Warum" (108). Das "kausale Modell" bildet den "Meta-Meta-Operator" (ein anderer Ausdruck für das mechanistische Welt-Bild), der für die "Funktionsfähigkeit aller übrigen Operatoren unserer Kultur sorgt" (61). Warum-Fragen und Warum-Denken aktivieren nach Chong und Chong einen Schuld-Rahmen: die Frage nach dem Warum ist die Frage nach Schuld und Schuldzuweisung (119). Damit werden negative innere Zustände aktiviert, die mit selbstzerstörerischen Konsequenzen einhergehen (37). Sie führen letztlich zum Krieg. Die Autoren plädieren für die Entwicklung eines "Nicht-warum-Rahmens" (157ff.), der Wahrnehmung der Wirklichkeit (insbesondere der sozialen Wirklichkeit) ohne Bezug auf kausale Zusammenhänge. In einer solchen Welt gibt es keine starren kausalen Relationen (niemand ist "schuld" für irgendetwas), sondern funktionale Zusammenhänge von Variablen, die sich unentwegt ändern und daher einzigartig sind.
© Walter Ötsch