Unbewusstes Im NLP unterscheidet man bewusste und unbewusste Prozesse (Zwei-Instanzen-Modell) (Dies kann bei der Technik des Sechs-Stufen-Reframings studiert werden). NLP hat kein entwickeltes Modell des Unbewussten; es gibt auch keine verbindliche Definition des Terminus "Unbewusstes". NLP bezieht sich in seinem Konzept vom Unbewussten u.a. auf Gregory Bateson und Milton Erickson. Bestandteile dieses Konzepts sind (vgl. Schauer 1995, 96 ff. und Mohl 1996a (1993), 38 ff.) (alle Ausführungen sind metaphernhaft zu verstehen. In der NLP-Arbeit wird so getan, als ob sie "wahr" wären):
(1) Es gibt ein Unbewusstes: "Dazu gehört alles, was im jeweiligen Moment außerhalb eines Bewusstseins liegt" (Bandler und Grinder 1994c (1979), 57). "Im NLP ist etwas bewusst, wenn es im gegenwärtigen Bewusstsein, im Bereich der augenblicklichen Aufmerksamkeit ist, wie dieser Satz jetzt. Etwas ist unbewusst, wenn es nicht in der gegenwärtigen Aufmerksamkeit, dem Bewusstsein ist." (O´Connor und Seymour 1996a (1990), 31).
(2) Das Bewusste ist in das Unbewusste eingebettet. Gilligan (in Weiterführung von Bateson und Erickson) unterscheidet vier Ebenen, die in konzentrischen Kreisen von außen nach innen gedacht werden (1991 (1987), 41 ff, vgl. damit die vier Ebenen in der Spektrums-Psychologie von Ken Wilber 1987b (1977), 19):
(a) den Kern der Person ("Kern des Selbst").
(b) das unbewusste Gedächtnis, den unbewussten Geist (welcher nach der kybernetischen Erkenntnistheorie von Bateson auch "den Bahnen und Mitteilungen außerhalb des Körpers immanent" ist, - "und es gibt einen größeren Geist, von dem der individuelle Geist nur ein Subsystem ist. ... er ist dem gesamten, in Wechselbeziehung stehenden sozialen System und der planetaren Ökologie immanent", Bateson 1983 (1972), 593).
(c) der bewusste Verstand: "die dem Hintergrund oder Feld des Unbewussten zugehörige Figur" (43), und
(d) die inhaltlichen Elemente des Bewusstseins (auf welchen Fokus es gerichtet ist).
(3) Die Grenze zwischen Bewusstem und Unbewusstem ist keine prinzipielle Grenze. Sind bei einer Person die Grenzen wenig durchlässig, dann können bewusster Verstand und Unbewusstes in Kampf oder Konkurrenz sein. Sind sie durchlässig, können produktive komplementäre Wechselbeziehungen eintreten (Gilligan 1991 (1987), 47). "Die ideale Person besäße eine Bereitschaft, den Austausch zwischen Bewusstem und Unbewusstem zu akzeptieren" (Erickson u.a. 1991 (1976), 291).
(4) Unbewusste Prozesse sind Teil des komplexen Organismus von Menschen. Das Unbewusste bildet ein komplexes System. Einzelne Facetten des Unbewussten sind dem Bewussten zugänglich. Alle bewussten Komponenten können anhand der NLP-Begriffe Repräsentations-Systeme und Untereigenschaften beschrieben werden.
(5) Das Unbewusste ist mächtiger als das Bewusste, weil es (a) die meisten Lebensprozesse steuert, und (b) dem Bewussten nicht direkt zugänglich ist (vgl. dazu die Daten zum Auswahl-Prozess des Bewusstseins): "Das Unbewusste gewinnt ... in jedem Fall" (Bandler und Grinder 1994c (1979), 205).
(6) Das Unbewusste ist klüger als das Bewusste (Erickson u.a. 1991 (1976), 35; Bandler und Grinder 1994c (1979), 205; Gilligan 1991 (1987), 47). Das Bewusste verfügt nur über ein eingeschränktes Wissen, ist "blind für die kybernetischen Kreisläufe des Selbst und der äußeren Welt ... ohne Verständnis für das homöostatische Netzwerk", in das es eingebettet ist. Aus diesem Grund muss auch "ein systemischer (d.h. nicht zufälliger) Unterschied zwischen den bewussten Ansichten vom Selbst und von der Welt und der wahren Natur des Selbst und der Welt bestehen." (Bateson 1983 (1972), 571 f.)
(7) Das Unbewusste speichert alle wichtigen Informationen, die auf eine Person das ganze Leben einströmen (vgl. dazu das Konzept der unbewussten Kompetenz in den Lern-Stadien).
(8) Das Unbewusste organisiert die psychische Stabilität einer Person (im Fremdwort: ihre psychophysische Homöostase), indem es dem Bewussten manche Informationen zugänglich macht und manche nicht. Das Unbewusste kontrolliert den Informationsstand des Bewussten. Traumatische Erfahrungen aus der Kindheit z.B. werden oft "vergessen" (in der Psychoanalyse sagt man "verdrängt") und z.B. im Prozess einer Neuprägung dem Bewusstsein wieder zugänglich gemacht.
(9) Es ist möglich, mit dem Unbewussten Kontakt aufzunehmen. Wie sich eine Person dabei ihr Unbewusstes vorstellt, ist für die Arbeit mit dem Unbewussten nicht von Belang (z.B. in Form von Symbolen, Personen oder einer Landschaft), ebenso nicht seine sprachliche Bezeichnung (als "Teile", "Tendenzen", "Persönlichkeitsaspekte" usw.), sowie das individuelle Belief-System zum Unbewussten ("Geist", "Seele", "überpersönliches Wissen", "die Weisheit des Körpers", usw.).
(10) Das Unbewusste kann durch bestimmte Ereignisse angesprochen und zum Auslöser innerer Änderungs-Prozesse werden. Ein Beispiel ist die hypnotische Sprache, wie sie das Milton-Modell beschreibt. Sie wirkt direkt auf das Unbewusste und kann von dort Einfluss auf das weitere Verhalten einer Person ausüben. In manchen Techniken des NLP, wie dem Reframing, bittet das Bewusste das Unbewusste direkt oder erteilt ihm Aufträge, die Verantwortung für Änderungs-Prozesse zu übernehmen, die in der Zukunft automatisch, ohne aktiven Einfluss des Bewussten, geschehen sollen.
(11) In einer Trance können die bewussten Prozesse einer Person teilweise außer Kraft gesetzt sein. Das Unbewusste kann dadurch befähigt werden, bedeutungsvolle Veränderungsprozesse zu bewirken. Es bedarf keiner bewussten Einsicht, dass solche Veränderungen auftreten können (Gilligan 1991 (1987), 46).
(12) Das Unbewusste besitzt eine Struktur. Einzelne Elemente / Bereiche dieser Struktur werden im NLP meist Teile genannt. Teilen wird im NLP eine Absicht (Intention) unterstellt. Teile organisieren Verhalten.
(13) Auf der Ebene des Unbewussten herrscht das Prinzip der guten Absicht (d.h. den "Teilen" werden gute Absichten unterstellt). Die positive Absicht der Teile im Unbewussten kann bewusst erfahren werden, wenn die bewusste Kontrolle bereit ist, dies zuzulassen. Das Ericksonsche Prinzip der Kooperation bezieht sich auch auf die Kooperation des Bewussten mit dem Unbewussten (z.B. Gilligan 1991 (1987), 48). NLP grenzt sich gegen die psychoanalytische Ansicht ab, im Unbewussten "Triebe" anzusiedeln (die es zu bekämpfen gilt) bzw. dem Unbewussten negative Absichten zu unterstellen.
(14) Veränderung kann im Vertrauen auf die Fähigkeiten des Unbewussten und seine Absichten möglich sein: "Um einen Menschen zu ermutigen, in Trance zu gehen, müssen sie ihn ermutigen, seinem Unbewussten zu vertrauen, weil Trance eine natürliche Form unbewussten Funktionierens ist" (Erickson u.a. 1991 (1976), 285).
© Walter Ötsch