Milton-Modell Ein Modell hypnotischer Sprachformen, das Bandler und Grinder aus dem Studium der Arbeit von Milton Erickson entwickelt haben (Bandler und Grinder 1996 (1975), Grinder und Bandler 1987 (1981), Grinder, DeLozier und Bandler 1977).
Das Milton-Modell besteht aus zwei großen Teilen (Grinder und Bandler 1987 (1981), 316ff.):
(A) aus der Umkehrung der Sprachmuster des Meta-Modells und (B) aus zusätzlichen Elementen hypnotischer Sprache.
(A) Das Milton-Model ist die Umkehrung der Sprachmuster des Meta-Modells (es wird auch inverses Meta-Modell genannt). Bandler und Grinder entdeckten, dass die Sprachmuster von Erickson zu einem großen Teil aus Verletzungen des Meta-Modells bestanden. Ericksons Sprache war "kunstvoll vage", unspezifisch und weitgehend inhaltsfrei. Sie enthielt eine Fülle von Tilgungen, Verallgemeinerungen und Verzerrungen.
Im Meta-Modell will man vage Aussagen präziser machen. Es geht um die sinnesspezifische Beschreibung einer konkreten Situation. Die Sprachmuster des Meta-Modells ermöglichen es, klarer zu machen, worüber ein Gesprächspartner inhaltlich spricht, was er "wirklich" meint. "Das Ziel liegt in der Erweiterung der bewussten Wahlmöglichkeiten, die einer Person für die Bewältigung einer bestimmten Situation zur Verfügung stehen. Es ist deshalb auch ein wichtiges Instrument jeder Form von Therapie, die auf die bewusste Einsicht des Klienten abzielt." (Walker 1996, 257).
Im Milton-Modell hingegen wird eine Situation, ein Verhalten, ein Problem "kunstvoll vage" beschrieben. Solche Begriffe lösen in einem Menschen einen transderivationalen Suchprozess aus (Dabei kann der Fokus der Aufmerksamkeit nach innen gelenkt werden: der Zuhörer geht in Trance). "Auf der Ebene der unbewussten Sprachverarbeitungsprozesse werden hier Assoziationsketten geformt, die es ihm erlauben, individuelle und vielschichtige Sinnbezüge zu den Worten des Therapeuten zu konstruieren. Das angestrebte Ziel ist hier die Schaffung neuer, unbewusster Wahlmöglichkeiten für den Umgang mit einer ganzen Klasse strukturell identischer Situationen" (ebenda).
Mit anderen Worten: der Zuhörer, der hypnotische Sprache hört, versucht, das, was er gehört hat, mit seiner eigenen Erfahrung zu verbinden. Weil der andere diese Erfahrung aber nicht direkt, sondern eben nur vage angesprochen hat, löst er keine oder weniger Abwehrreaktionen aus.
Ein Beispiel: Man kann seinem Klienten direkt sagen: "Ihre Mutter hat sie emotional missbraucht und deshalb missbrauchen Sie heute ihre Kinder", - eine Formulierung, die höchstwahrscheinlich das auslösen würde, was man Widerstand nennt ("Aber nein, meine Mutter war immer sehr nett zu mir und ganz liebevoll, eigentlich gab es keine Probleme und bei mir zu Hause gibt es mit meinen Kindern auch keine. Ich sorge sehr gut für sie, sie haben alles was sie brauchen; ich wundere mich bloß, dass sie Drogen nehmen, nie zu Hause sind und so häufig die Schule schwänzen".)
Mit Hilfe des Milton-Modelles könnte man sagen: "Also, ich kannte mal eine Mutter, die hat ihren Kindern wenig Sicherheit und Unterstützung geboten. Ich frage mich natürlich, wie ihre Kinder das empfunden haben mögen. Und ich frage mich, wie diese Kinder später mit ihren Kindern umgegangen sind, denn schließlich, manchmal lernt man etwas und ist sich nicht bewusst, was man gelernt hat und wendet es an ... und es könnte sein, dass dann nicht die Ergebnisse eintreffen, die man sich gewünscht hat..." Die Wahrscheinlichkeit ist höher als im ersten Falle, dass der Klient sagt: "Bei mir zu Hause war das auch so und jetzt wird mir klar, warum meine Kinder Drogen nehmen. Ich habe immer darauf gesehen, was ich für die Kinder wollte, statt die Kinder zu fragen, was sie wollten und eigentlich wollte ich das, was ich meinen Kindern gegeben habe, mehr für mich als für sie, weil ich es nie bekommen habe".
Bandler und Grinder haben hypnotische Sprachmuster mit Hilfe linguistischer Modelle formalisiert und auf diese Weise Milton Ericksons Art der Sprachverwendung lernbar gemacht.
Die Sprachmuster des Milton-Modells, die als Umkehrung des Meta-Modells definiert werden, sind (1987 (1981), 316ff.):
(I) Informationen weglassen, durch:
(1) Nominalisierungen (Worte wie: Neugierde, Wissen, Lernen),
(2) unbestimmte Verben (Worte wie: bewegen, lösen, geschehen, erleben),
(3) unbestimmter Inhaltsbezug (man, Umstände, Bedürfnisse) und
(4) Tilgungen ("Ich weiß, dass Sie neugierig sind!")
(II) Semantische Fehlgeformtheit:
(1) Kausales Modellieren oder kausales Verknüpfen,
(a) indem Dinge, die sonst miteinander nicht zusammenhängen, miteinander verbunden sind,
(b) durch zeitliche Verbindungen (während, indem, wenn),
(c) durch explizite Kausal-Konstruktionen ("Während Sie dieses Wörterbuch lesen, werden Sie immer klüger"),
(2) Gedankenlesen ("Sie fragen sich, was Sie jetzt gleich lesen werden"),
(3) Verlorener Performativ ("Es ist gut, dass Sie diese vielen Fremdwörter so schnell verstehen")
(III) Einengung der Vorstellung des Zuhörers durch:
(1) Universalquantoren (alle, jeder, immer, niemals), und
(2) Modaloperatoren (müssen, können, sollen)
Ein Beispiel: "Jeder" (Universalquantor) "kann" (Modaloperator der Möglichkeit) "und jeder muss" (Modaloperator der Notwendigkeit) "diesen Sätzen Bedeutung geben. Und indem Sie das tun, haben Sie gerade etwas sehr Wichtiges erfahren" (komplexe Äquivalenz). "Und genau das macht es Ihnen leicht" (Ursache-Wirkungs-Konstrukt) "zu verstehen," (gewagte Vorannahme!, gleichzeitig Gedankenlesen), "wie all das natürlich in Ihr Unbewusstes eingefügt werden kann, ohne dass Sie wissen, wie dies geschieht".
(B) Der zweite Teil des Milton-Modells umfasst eine Vielzahl weiterer hypnotischer Sprachmuster, die Bandler und Grinder an Milton Erickson beobachten konnten.
Bandler und Grinder (1987 (1981), 321ff.) zählen hier 15 Muster auf, u.a.: eingebettete Befehle, eingebettete Fragen, negative Befehle, Konversations-Postulate, Vorannahmen, Zitate, analoges Markieren, Mehrdeutigkeit und Metaphern.
Die Sprachmuster des Milton-Modells kann man im Alltag oft beobachten. Im NLP geht es darum,
(1) die Sprachmuster des Milton-Modells zu kennen,
(2) die Sprachmuster des Milton-Modells bei anderen zu entdecken,
(3) die Sprachmuster des Milton-Modells gezielt einzusetzen.
Weitere Literatur: Zeig 1988 (1980), Gilligan 1991 (1987), O´Hanlon 1995 (1987), Erickson und Rossi 1994 (1989), Hammond 1990, Araoz 1993 und Haley 1996 (1993) .
© Walter Ötsch