Anker Ein Reiz, auf den eine Person auf eine bestimmte Weise reagiert. Natürliche Anker sind z.B. Farben, die eine bestimmte Stimmung auslösen, Musik, die aktiviert oder beruhigt oder ein Geruch, der an ein bestimmtes Ereignis erinnern lässt. Anker sind externe Auslöser, die eine innere Wirkung hervorrufen.
Das Wort Anker kommt von Anchormen, das sind prominente Moderatoren in Talkshows. Allein das Auftreten eines bestimmten Anchorman soll das Publikum veranlassen sich diese Sendung anzusehen.
Werbung ist ein gutes Beispiel für die Wirkung von Anker. Werbung produziert sinnliche Reize: Bilder von sympathischen Menschen und schönen Landschaften, das Logo des Produktes, markante Stimmen, einen einprägsamen Satz, Musik. All das soll positive Gefühle hervorrufen. Die Werbe-Industrie versucht, diese Anker oft und oft zu setzen. Das Gehirn lernt so die einzelnen Elemente als Einheit zu kodieren: auf unbewusste Weise werden der Slogan, das Logo, die Stimmen, die Musik und das Gefühl miteinander verbunden. (Das Gehirn lernt eine Synästhesie). Beim Kaufen soll diese Synästhesie aktiviert werden. Wir sehen das Logo des Produktes und - ohne dass uns dies zu Bewusstsein kommt - wird die gesamte Einheit von Sehen, Hören und Fühlen innerlich aktiviert. Das Logo des Produktes wirkt als visueller Anker, der visuelle Reiz führt zu einem positiven Gefühl: der Kunde kauft.
Das Anker-Konzept stammt aus dem Behaviorismus (Bandler und Grinder erwähnen die Reiz-Reaktions-Konditionierung von Pavlow, 1994c (1979), 107). NLP als pragmatischer Ansatz verwendet die behavioristische Idee konditionierter Reize auf vielfältige Weise, ohne dabei das Menschen-Bild des Behaviorismus und seine Idee einer unbegrenzten Manipulation von Menschen zu übernehmen.
Anwendungen von Anker im NLP sind:
(1) das Studium natürlicher Anker im Alltag, die uns - automatisch und meist unbewusst - die ganze Zeit in die eine oder die andere Richtung lenken. Für die Erkundung von Problemen kann es nützlich sein, die genauen Anker zu kennen, z.B.: was genau löst die schlechte Stimmung aus, wenn ich mit diesen Menschen zusammen bin? NLP konzentriert sich dabei auf die sinnlichen Aspekte: was genau muss ich sehen, hören, um in dieses Gefühl zu kommen?
Ein Beispiel ist die Analyse des Arbeitsplatzes auf positive und negative Anker. Dazu ist es hilfreich, den eigenen Arbeitsplatz intensiv sinnlich zu erleben - oder sich innerlich intensiv vorzustellen - und alle sinnlichen Eindrücke, der Reihe nach, auf ihre Wirkungen auf den eigenen inneren Zustand zu überprüfen (Weiß 1990, 82f., Mohl 1996a (1993), 177f.). Anleitung zu einer Analyse Ihres Arbeitsplatzes auf positive und negative Anker.
(2) Anker werden im NLP verwendet, um Zugang zu persönlichen Ressourcen zu schaffen. Eine Beraterin B kann z.B. einen Klienten K immer dann in einer bestimmten Weise berühren (z.B. auf die Schultern tippen), wenn K an ein schönes Erlebnis denkt und dabei eine Ressourcen-Physiologie zeigt. Nach einigen Wiederholungen "sitzt" der Anker: immer wenn B K auf genau dieselbe Weise (und sei es nur scheinbar unabsichtlich) berührt, verändert sich die Physiologie von K auf wahrnehmbare Weise. Damit hat B ein Instrumentarium, um K gezielt in seine Ressourcen zu führen. Im NLP werden Anker systematisch eingesetzt, um Wirkungen bei anderen und bei sich selbst zu erzielen.
Viele Techniken des NLP werden mit Hilfe von bewusst gesetzten Ankern durchgeführt oder damit begleitet ( Anker setzen).
Wenn sich eine Person einen Anker selbst setzt, dann spricht man von Selbst-Anker. Selbst-Anker können ein hervorragendes Instrumenarium der Selbst-Steuerung sein.
Ein Beispiel ist ein Glücks-Anker. Eine Person kann:
(a) sich selbst einen guten Zustand (z.B. selbstbewusst zu sein) mit Hilfe einer Bewegung (z.B. eine Drehung mit der rechten Hand) ankern,
(b) diesen Anker öfter üben, und
(c) dann für eine Situation einsetzen, die ansonsten als schwierig erlebt wird (z.B. eine öffentliche Rede zu halten).
© Lucas Derks 1997
(3) Mit NLP können Menschen lernen, im Alltag klare Anker zu installieren und bewusst zu setzen. Ein Beispiel ist der Einsatz räumlicher Anker, z.B. im Büro oder bei einem Vortrag, mit genau definierten inneren Zuständen. Ein anderes Beispiel ist der pointierte Einsatz des Körpers. Körper-Sprache in Kommunikation kann auf andere als Anker wirken und die Präsentation eigener Ideen und Vorschläge erleichtern.
(4) Das Anker-Konzept des NLP schafft ein Verständnis für viele zwischenmenschliche Prozesse im Alltag: wie Personen sich selbst und andere beeinflussen, indem sie - oft unbewusst - Anker setzen und damit bei sich und anderen innere Zustände auslösen. Die Kenntnis von kalibrierten Schleifen schafft die Möglichkeit, sie bewusst und zielgerecht zu verändern.
(5) Viele Änderungs-Techniken des NLP zielen darauf hinaus, natürliche Anker, die unerwünschte Reaktionen hervorrufen (z.B. immer, wenn jemand laut mit mir redet, werde ich ärgerlich), in ihrer Wirkung abzuschwächen oder zu löschen. Die Standard-Technik ist das Anker löschen: Dabei werden zwei Anker gesetzt: der negative (die laute Stimme) und ein positiver Anker, der mit Ressourcen verbunden ist (z.B.: Quelle). Werden dann beide Anker gleichzeitig aktiviert, dann verschmelzen beide Anker, und der positive Anker kann den negativen Anker überlagern, sodass er in seiner Wirksamkeit gemildert oder gänzlich gelöscht ist.
Literatur: Cameron-Bandler 1992 (1978), 94ff., Bandler und Grinder 1994c (1979), Kap. 2.