Die Kommunikationskunst des NLP

von Franz Darpe

NLP – Neuro-Linguistisches Programmieren – ist ein Modell menschlicher Kommunikation. Es beschreibt die Zusammenhänge von körperlichen (neuro-physiologischen) Zuständen, Sprache (Linguistik) und inneren Denk-Programmen. Die verschiedenen Arten der Wahrnehmung – Bilder, Worte, Geräusche, Empfindungen, Gefühle, Bewegungen… -, werden neurologisch gespeichert und sprachlich kodiert. Beim Gebrauch der Sprache werden bewusst oder unbewusst die gespeicherten Informationen transportiert oder weggelassen, verallgemeinert oder verzerrt. Die inneren Denkprozesse und Reaktionen sind entscheidend für das zwischenmenschliche Verhalten. Sie sind gelernt und können verändert, neu programmiert werden.

Das Modell des NLP wurde seit Mitte der 70er Jahre in den USA von Richard Bandler und John Grinder entwickelt. Ursprung ihrer Ideen und Erkenntnisse waren Fragen wie: Wie gehen Spitzenkönner der Kommunikation auf andere Menschen ein? Was machen sie automatisch und intuitiv richtig? Im Gegensatz zur üblichen Forschung, die sich immer mit kranken und neurotischen Menschen befasst(e), um die Ursachen für die vorhandenen Störungen zu finden, haben Bandler und Grinder von Anfang an besonders erfolgreiche Persönlichkeiten untersucht. Für sie war interessant, herauszufinden: Wie sieht ihr Denken, wie sehen ihre Werte aus? Wie verhalten sie sich? Wie bewegen sie sich?

Eine Grundannahme für ihr Forschungsinteresse war: Was ein Mensch kann, kann auch jeder andere lernen. So können wir von den Spitzenleuten und Genies in unserer Welt lernen und unsere eigene Genialität entwickeln. Ziel ist es: unsere hervorragenden Fähigkeiten selbst zu entwickeln.

Was sind nun die Grundelemente einer gesunden und erfolgreichen Kommunikation ?

  1. Rapport herstellen: dies bedeutet, dass ich durch angleichen (Pacing) meiner Körperhaltung, Stimmlage, Wortwahl u. an die des anderen anpasse, „mich auf dessen Wellenlänge einschwinge“. Bin ich auf gleicher Wellenlänge, so kann ich den anderen in einen gewünschten Zustand hineinführen (Leading). Dies verlangt entsprechende Flexibilität und einen ethischen Hintergrund, der von Einfühlungsvermögen und Wertschätzung für den anderen geprägt ist.
  2. Ein klares Ziel haben: ein klares Ziel ist gegeben, wenn ich möglichst konkret, in der Gegenwart und positiv (d. h. ohne Verneinungen) sage, was ich will, wann ich es will, mit wem ich es will, wie ich es will und was der erste Schritt ist.
  3. Enttäuschungen in neue Ziele zu verwandeln: Hindernisse, Umwege, Misserfolge u. dgl. sind Herausforderungen. Wenn ich enttäuscht bin, habe ich mich getäuscht; nicht andere. Es gilt, das Ziel neu oder, wenn vorher nicht geschehen, klar zu formulieren.
  4. Seinen höchsten Wert im Auge behalten und leben: Werte (wie Liebe, Harmonie, Vertrauen, Respekt…) werden im Körper gespürt und bestimmen unseren inneren Zustand. Verlieren wir die Verbindung zu unseren höchsten Werten oder werden darin blockiert, so geraten wir in einen schlechten inneren Zustand, verlieren unsere Offenheit und Flexibilität. Voraussetzung, um Kontakte erfolgreich zu gestalten, ist es, in einem guten Zustand zu sein, d. h. seine Überzeugungen und Werte zu leben.
  5. Seinen inneren Zustand selbst zu bestimmen: Gelingt es mir nicht selbst zu bestimmen, wie ich mich fühlen will, so werden es andere oder äußere Umstände und Dinge tun. Ich werde davon abhängig sein. Eine positive Gestaltung meiner Beziehungen und Kontakte ist nur möglich, wenn ich meinen inneren Zustand selbst bestimme. In einen guten inneren Zustand kommen Menschen z. B. durch Tanzen, Malen, Meditieren, Lachen, Genießen von Musik und Natur. Bin ich in einer schwierigen Situation und in einem schlechten inneren Zustand, so lässt sich dieser ändern oder unterbrechen durch Veränderung der Körperhaltung, Bewegung, Ortswechsel, Pausen, die Erinnerung an und Besinnung auf Situationen des Wohlbefindens und / oder Erfolges.
  6. Positive Überzeugungssysteme entwickeln, die der Erreichung meiner Ziele dienen. Negative Überzeugungssysteme sind wie innere Tonbänder, die uns immer wieder sagen: „Das schaffst Du nicht!“, „Das geht nicht!“ usw. Wenn wir sie schon nicht ganz verhindern können, so sollten wir sie zumindest besser kontrollieren können.
  7. Die Positionen oder den Blickwinkel zu wechseln: Dies kann ich dadurch erreichen, indem ich so tue, als ob ich in der Position des anderen bin, so dass ich – so weit möglich – einmal wahrnehme, spüre und denke wie er. So kann ich Informationen für eine erfolgreiche und gesunde Kommunikation gewinnen.
  8. Sich positives Feedback holen: Gute Leute holen sich selbst Feedback. Sie tun es nicht nur für sich selbst, sondern auch immer für den anderen, damit sie mit ihm „auf gleicher Wellenlänge sein“ können.

Gute Leute sind in ihrem Verhalten kongruent, d. h. es entspricht ihrer Persönlichkeit, ist also stimmig.

Folgende Ebenen der Persönlichkeit lassen sich unterscheiden: Verhalten, Fähigkeiten, Überzeugungen, Identität, Wesen.

Die unterste Schicht der Persönlichkeit ist das Verhalten. Dahinter liegt die Ebene der Fähigkeiten, die jemand zur Verfügung hat. Sie sind eine Reservoir an Verhaltensmöglichkeiten. Inwiefern wir sie nutzen liegt an den Überzeugungen und Einstellungen (beliefs), die wiederum hinter der Ebene der Fähigkeiten liegen. Es sind Ideen über die Welt, in der wir leben und die wir im Kopf mit uns herumtragen. Oft sind sie unbewusst und bestimmen, ob wir eine Verhaltensmöglichkeit in einer bestimmten Situation zeigen oder nicht. Aufgrund unserer Überzeugungen, Einstellungen und die unser Leben bestimmenden Werte bilden wir uns eine festgefügte Auffassung darüber, wer wir sind – über unsere Identität.

Die Kunst einer gesunden und erfolgreichen Kommunikation besteht somit darin, den Weg zu mehr Kongruenz zu finden, d. h. also, sich immer mehr so zu verhalten, wie es unseren eigenen Überzeugungen und Werten entspricht. Das bedeutet: sich mit unseren inneren Hindernissen und Konflikten auseinanderzusetzen, die uns an einer liebe- und respektvollen Kommunikation und Interaktion mit anderen hindern. NLP hilft uns herauszufinden, welche positiven Absichten hinter unseren inneren Widerständen liegen, um dann individuell auf einen selbst zugeschnittene Lösungen zu entwickeln, die diese positiven Absichten berücksichtigen. Die Suche nach den positiven Absichten unserer inneren Hindernisse und Konflikte ist letztlich die Suche nach unseren eigenen Werten und Kriterien. Die eigene Wirkung auf andere wird um so stärker sein, je mehr jemand das vermittelt, was er lebt und ist.

Wichtige Fragen sind also: In welchen Situationen verhalte ich mich nicht kongruent? Was kann ich ändern, um kongruenter zu werden? Was sind meine wichtigen Überzeugungen und Werte und wie stehe ich zu ihnen? Inwiefern bestimme ich mich selbst in sozialen Situationen oder inwiefern lasse ich mich bestimmen? Wie kann ich für mich selbst sorgen und gleichzeitig liebevoll und respektvoll zu anderen sein?

Einige praktische Übungen und Versuche für den Alltag:

1) Sich in einen guten Zustand bringen:

Erinnere Dich an einen Ort und eine Situation, wo Du Dich ganz wohl gefühlt hast. Gehe zurück an diesen Ort oder in diese Situation, indem Du die Augen schließt, Dich entspannst und lasse Dir Zeit, Dich genau zu erinnern. Wo bist Du? Was kannst Du sehen, nah und fern? Welche Farben und welche Bewegungen sind da? Welche Geräusche, Stimmen … kannst Du da hören? Wie ist die Klangfarbe, der Rhythmus, die Lautstärke…? Welche Gefühle und Empfindungen spürst Du da? Wo im Körper spürst Du sie? Vielleicht kannst Du Dein positives Gefühl noch verstärken. Probiere aus, wie Du die Vorstellung durch Verstärkung oder Abschwächung von Farben, Helligkeit, Tönen und Bewegungen so verändern kannst, da sie sich für Dich am besten anfühlt. Was spüre ich da? Was sind die positiven Überzeugungen und Werte für mich in dieser Situation?

2) Ein klares Ziel formulieren:

Wähle ein Problem aus, das Du im Umgang mit anderen hast, und beantworte Dir folgende Fragen:

– Was will ich eigentlich?

– Wann will ich es erreicht haben?

– Wie weiß ich, daß ich mein Ziel erreicht habe? Woran merke ich das?

– Was ändert sich noch in meinem Leben, wenn ich das Ziel erreicht habe?

– Welche Ressourcen (Mittel, Fähigkeiten) habe ich, die mir helfen, mein Ziel zu

erreichen?

– Wie kann ich diese am besten nutzen?

– Was ist der erste Schritt, um das zu erreichen, was ich will?

3) Sich selbst verändern für ein Ziel:

Finde jemand in Deine Umgebung, von dem Du eine bestimmtes Verhalten gerne möchtest, das dieser aber nicht zeigt. Wie möchtest Du Dich selbst verhalten, so daß der andere ganz allein und gern tut, was Du möchtest? Was möchtest Du ändern in der Mimik, Gestik, Körperhaltung, Bewegung, Aussehen, Tonfall, Sprechrhythmus, Sprache etc.?

4) Rapport herstellen durch gemeinsame Körpersprache:

Zunächst beobachte z. B. in einem Café, Restaurant o. dgl. Menschen, die sich offensichtlich gut und angeregt unterhalten. Was an gemeinsamer Körpersprache (Gestik, Mimik, Körperhaltung, Bewegungen etc.) ist zu entdecken?

Versuche dann bei Deinem nächsten Gespräch ‚mit einer schwierigen Person‘ bewusst darauf zu achten, mit Deinem Gegenüber zu einer gemeinsamen Körpersprache zu kommen. Sei behutsam und respektvoll! Du willst den anderen ja nicht nachäffen, sondern Dich auf ihn einschwingen, damit Du Dich auf sein Modell von der Welt einlassen kannst.

5) Die eigenen Kräfte und Fähigkeiten wecken:

Denke an einen Deiner größten privaten oder beruflichen Erfolge. Stell Dir die Situation so vor, wie es unter ‚Sich in einen guten Zustand bringen‘ beschrieben ist.

Welche Verhaltensweisen und Fähigkeiten hast Du dabei gezeigt? Wie hast Du dabei ausgesehen, Dich angehört und Dich gefühlt?

Wähle jetzt eine aktuelle Situation aus, die Dir Schwierigkeiten macht.

Wie würde sich die Situation ändern und zu welchem Ergebnis würde es führen, wenn Du die Verhaltensweisen und Fähigkeiten Deiner erfolgreichen Situation hier nutzen würdest?

6) Bewegung tut gut:

Kritische Momente in einem Gespräch sind solche, in denen man nicht mehr zu Wort kommt; in denen einem nichts mehr einfällt, weil man Schuldgefühle hat oder sich überlistet fühlt; in denen man das Gefühl hat, nicht zu bekommen, was man wollte.

Beende, was Du gerade machst und mache etwas anderes:

Nimm eine ganz andere Körperhaltung ein.

Wenn Du sitzt, stehe möglichst auf.

Wenn Du stehst, gehe umher.

Wenn Deine Arme und Hände verschränkt oder sonst bewegungslos sind, unterstreiche Deine Worte mit Gesten.

Unsere Denkprozesse stehen in engem Zusammenhang mit unseren Körperhaltungen. Durch eine Änderung der Körperhaltung können wir unser Denken in eine neue Richtung bringen.

Nur, wer auf sich selbst vertraut, kann dem anderen vertrauen. Exzellente Kommunikation ist nicht nur Zielstrebigkeit und Durchsetzung, sondern genauso Einfühlungsvermögen, Wertschätzung und Respekt. Über den Gleichklang und das Mitschwingen mit dem Partner wird man die Welt des anderen tiefer verstehen und in ihrer Einmaligkeit zu würdigen wissen. Ziel gesunder und erfolgreicher Kommunikation ist, nicht nur für sich selbst, sondern mit seinem Partner in einen guten und kraftvollen Zustand zu kommen.

Copyright: Dipl.-Psych. Franz Darpe, in: „Kleine Schritte Kalender 1997“, Jahrbuch für Selbstmanagement, Hrsg. von A. Müller-Bungert u. R. Breuer, editions treves, Postfach 1550, D-54205 Trier, Fax 0651 300699. Copyright edition treves 1996. Mit freundlicher Genehmigung der edition treves.